EIN KLEMPNER FÜR TAUSEND SEELEN
Dokumentarfilm, 60 min, R: Anastasia Vinokurova
Telepool/BR 2011

Sein Besuch ist wie ein Gewittersturm und dennoch wird er sehnlich erwartet: vom erfolgreichen Businessmann bis zur einsamen Rentnerin. Denn vor einer undichten Kloschüssel oder einer heulenden Wasserleitung sind alle gleichgestellt. ANDREJ ist ein Klempner in einem Moskauer Plattenbaubezirk und betreut 6 Hochhäuser - insgesamt 4608 Wohnungen, knapp 5 Kilometer Kellerräume und genauso viel Dachfläche. Als Gesandter des staatlichen Kommunalsystems hat Andrej seine Klienten fest im Griff und weiß was am besten für sie ist. Man braucht nur das Rattern seines riesigen blauen Rollkoffers zu hören, so wird der Weg gleich freigemacht und Andrej mit einem schmeichelnden Lächeln begrüßt.

Andrejs Klienten sind Geschäftsleute, Künstler, Professoren, Rentner und sogar ein ehemaliger Kosmonaut. So unterschiedlich sie alle sein mögen, versucht jeder seinen Weg im Kapitalismus zu schaffen und oft scheint es auch ganz gut zu gelingen: Man reist um die Welt, kauft sich Marken-Klamotten und geht teuer essen. Doch irgendwann kehrt man in seine enge Plattebauwohnung zurück und wird von der alten Alltagsstruktur eingeholt. Das neue Leben wird auf das alte marode System aufgetragen und vom Kreislaufsystem der sowjetischen Rohleitungen versorgt...

Ein typischer Moskauer Wohnbezirk durch die Perspektive eines Klempners und seiner Klienten: humorvoll, nachdenklich und poetisch zugleich.

2. Preis des Dokuwettbewerbs 2010

 


DAS FENSTER
Dokumentarfilm, 35 min, R./K.: Anastasia Vinokurova
TFH Berlin 2008

Was ist schlimmer, als lebenslang ans Bett gefesselt zu sein und das auch noch in einem gottverlassenen Dorf am Ende der Welt? MiSCHA ist 48. Mit 7 wurde er durch einen Autounfall und falsche Behandlung querschnittgelähmt. In seinem Heimatdorf Kaga im Süduralgebirge, 2000 Kilometer von Moskau entfernt, bedeutet das, Mobilität ganz zu verlieren. Einen vernünftigen Rollstuhl bekommt man dort nicht.

Durch die „fehlenden“ Beine scheint sich dennoch all seine Energie auf seinen Geist zurückgezogen zu haben. Jedenfalls scharen sich seit Jahren die Dörfler um ihn, als wäre er ein Heiliger. Er sitzt hinter seinem Fenster, vor dem sich bei stets geöffneten Läden seine „Klienten“ drängen. Von hier aus schaut Mischa auf die Welt und diese, wenn auch recht beschauliche, auf ihn. Sein ganzes Leben verläuft am Fenster, das gleichzeitig Club, Werkstatt und Beichtstuhl ist. Man bringt ihm die kaputten Radios, weil er sie reparieren kann. Man vertraut ihm Probleme aller Art an, weil er immer einen Rat hat. Man redet mit ihm, weil man weiß, dass er aufs pure Menschsein zurückgeworfen ist. Mischa ist nicht imstande, im Haifischbecken der Neureichen und Glücksucher mitzumischen. Aber er ist das moralische Gewissen, die integere Instanz, die man in Russland so sehnlichst zu vermissen scheint.